Kennzahlen

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(Weitergeleitet von Umsatz)

Kennzahlen sind statistische Hilfsmittel, um die Entwicklung eines Tauschrings einschätzen und verschiedene Tauschringe miteinander vergleichen zu können.

Mitgliedschaft im Tauschring

Die Anzahl der Mitglieder ist die üblichste Kennzahl, um die Größe eines Tauschrings anzugeben. Über die Zahl der Ein- und Austritte in einem bestimmten Zeitraum lässt sich die Beständigkeit in einem Tauschring abschätzen.

Alterspyramide

Wenn der Tauschring entsprechende Daten bei der Aufnahme erhebt, lässt sich die Mitgliederstruktur des Tauschrings aufschlüsseln:

  • Anteil gewerbliche Mitglieder.
  • Anteil institutionelle Mitglieder.
  • Alter und Geschlecht. Darstellung der Verteilung als Alterspyramide.
  • Geografisch, zum Beispiel Zahl der Mitglieder, die in einem bestimmten Postleitzahlbereich wohnen, oder Entfernung des Wohnorts zu den wichtigsten Treffpunkten des Tauschrings.
  • Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder Transferleistungen
  • Fähigkeiten, etwa "Schneidern", "EDV", …
  • Interessen, etwa "Katzen", "Ehrenamtliche Jugendarbeit", …

Aktivität einzelner Mitglieder

Kontostand

Jedes Mitglied hat ein Konto. Der Kontostand gibt an, in welchem Umfang ein Mitglied gegenüber der Gemeinschaft Vorleistungen erbracht hat (positiver Kontostand, Guthaben) bzw. Leistungsversprechen eingegangen ist (negativer Kontostand, Schulden, Kredit). Je größer der Unterschied zwischen Geben und Nehmen, umso größer der Kontostand (Plus oder Minus). Ausgeglichene Konten haben den Kontostand Null.

Viele Tauschringe veröffentlichen intern regelmäßig Kontostandslisten, damit die Mitglieder die Bonität ihrer Tauschpartner beurteilen und anderen Mitglieder beim Ausgleich ihrer Konten helfen können.

Umsatz

Der Umsatz bzw. das Handelsvolumen eines Mitglieds in einem bestimmten Zeitraum gibt den Grad der Beteiligung am Tauschsystem an. Der Umsatz berechnet sich aus der Summe der erbrachten Leistungen plus der Summe der empfangenen Leistungen. Beispiel: Fred hat im vergangenen Jahr 5 Stunden bei Anna den Rasen mähen und 6 Stunden bei Bob die Fenster geputzt, Carla hat 8 Stunden Freds Hund spazieren geführt, Dieter half Fred 1 Stunde beim Aufbau eines Bücherregals. Dann beträgt Freds Tauschumsatz im vergangenen Jahr 5 + 6 + 8 + 1 = 20 Stunden.

Der Umsatz gibt nur an, im welchem Umfang sich das Mitglied an Tauschaktivitäten beteiligt hat. Ob es dabei mehr geleistet oder mehr empfangen hat, zeigt sich an der Veränderung des Kontostands. Beispiel: Fred hat im vergangenen Jahr 5 + 6 = 11 Stunden für Andere gearbeitet und von Anderen 8 + 1 = 9 Stunden an Leistungen empfangen. Sein Kontostand hat sich um 11 - 9 = 2 Stunden erhöht.

Nach Michael Linton ist Transparenz von Kontostand und Umsatz zwischen allen Mitgliedern "notwendig und hinreichend für die Teilnehmer, um das System gemeinschaftlich zu steuern."[1] Der Kontostand allein sagt aber nichts über die Aktivität eines Mitgliedes aus. Zum Beispiel könnte sich Fred's Kontostand um 2 Stunden erhöht haben, weil er 2 Stunden gearbeit, aber nichts empfangen hat. Oder weil er 100 Stunden gearbeit, aber nur 98 Stunden empfangen hat.

Umsatz und Kontostandsveränderungen eignen sich auch für die Analyse von Gemeinschaftskonten wie Verwaltungs-, Austritts- oder Außenkonten.

Der Umsatz hilft herauszufinden, welche Mitglieder in einem Zeitraum besonders aktiv waren und welche Mitglieder überhaupt nicht getauscht haben. Ob letztere ihre Aktivität auf Dauer eingestellt haben oder nur vorübergehend pausieren, lässt sich über Kennzahlen nicht so einfach herausfinden.

Sonstige Kennzahlen

Bei Tauschringen, die eine Tauschzeitung herausgeben, bieten Anzahl und Alter der Angebote und Suchanfragen einen weiteren Hinweis, wie weit sich ein Mitglied am Tauschgeschehen beteiligen möchte.

Bei Tauschringen, die einen Mitgliedsbeitrag in Euro erheben, weisen hohe Außenstände auf Probleme im Verhältnis des Mitglieds zum Tauschring hin.

Das ideale Tauschringmitglied hat ein hohes Handelsvolumen und einen Kontostand von etwa Null. Es hat sowohl Angebote als auch Suchanfragen in der Tauschzeitung und bezahlt seine Rechnungen pünktlich. Es ergreift die Initiative und kümmert sich.

Die vergessene Karteileiche macht keinen Umsatz, weil sie nicht (mehr) tauscht. Ihr Konto ist tief im Minus, weil sie keine Leistungen erbringt. Sie schaltet auch keine Anzeigen (mehr) in der Tauschzeitung, weil sie das Interesse verloren hat oder nicht angesprochen werden möchte. Und sie hat schon seit Jahren keine Mitgliedsbeiträge mehr bezahlt, weil sie niemand gemahnt hat. Da hilft nur noch aktive Mitgliederbetreuung durch die Orga.

Aktivität des gesamten Tauschrings

Mit Kennzahlen wie dem Gesamtumsatz im Tauschring oder dem durchschnittlichen Umsatz pro Mitglied müsste sich die Aktivität in einem Tauschring leicht abschätzen und über die Jahre verfolgen lassen. Nur werden sie bisher von kaum einem Tauschring angegeben, vermutlich weil die Verrechnungsstellen nicht über die Daten und Werkzeuge verfügen, um sie zu berechnen.

Verteilung der Kontostände

Verteilung der Kontostände

Die Verteilung der Kontostände lässt sich mit verschiedenen statistischen Werkzeugen analysieren.[2] Wenn man die Kontostände der Größe nach sortiert, ergibt sich meist eine S-förmige Kurve (siehe Grafik.)

Der Medianwert[3] ist der Kontostand des Mitglieds, das genau in der Mitte der Kurve liegt. Ist er positiv, hat mehr als die Hälfte der Mitglieder ein Guthaben. Ist er negativ, hat mehr als die Hälfte der Mitglieder Schulden.

Die Anzahl der Mitglieder mit einem bestimmten Kontostand ist ein sehr einfaches Werkzeug um Gruppen von Mitglieder zu bilden. Zum Beispiel:

  • Mitglieder, deren Kontostand über dem Pluslimit oder unterhalb des Minuslimits liegt. Idealerweise müsste die Zahl Null sein. Wenn nicht, besteht hier in der Regel Handlungsbedarf. Warum wurden die Limits nicht eingehalten?
  • Mitglieder, deren Kontostand innerhalb der gewünschten Limits liegt. Idealerweise müssten das alle Mitglieder sein.
  • Mitglieder, deren Kontostand genau Null beträgt. Bei ihnen ist das Tauschkonto exakt ausgeglichen.

Die nach Kontostand gebildeten Gruppen lassen sich auch mit dem Umsatz kombinieren. Zum Beispiel:

  • Welchen Umsatz haben die Mitglieder mit den 10 höchsten Kontoständen gemacht?
  • Welchen Umsatz haben die Mitglieder mit den 10 niedrigsten Kontoständen gemacht?
  • Welchen Umsatz haben die Mitglieder mit einem Kontostand um Null gemacht?
  • Welchen Umsatz haben die Mitglieder im oberen, mittleren und unteren Drittel gemacht?

Solche Zahlen dürften in der Praxis viele Mythen über den Zusammenhang zwischen Kontostand und Tauschaktivität klären helfen, insbesondere wenn in einem Tauschring die Höhe der Limits oder die Einführung von negativen Guthabenzinsen diskutiert wird.

Die Summe aller negativen Mitgliederkonten gibt an, in welchem Umfang die Mitglieder insgesamt Leistungsversprechen (Kredite) eingegangen sind. Die Summe aller positiven Mitgliederkonten gibt an, welche Guthaben die Mitglieder auf ihren Konten haben.

Der Durchschnitt aller negativen Mitgliederkonten gibt die durchschnittliche Schuldenhöhe an. Der Durchschnitt aller positiven Mitgliederkonten gibt die durchschnittliche Guthabenhöhe an. Diese Durchschnittswerte lassen wiederum gut mit der Verteilung der Kontostände vergleichen. Wieviele Mitglieder haben überdurchschnittliche Schulden bzw. Guthaben? Wenn es sich dabei nur um einige wenige Extremfälle handelt, könnte Handlungsbedarf bestehen.

Die Summe aller Mitgliederkonten ist bei einem einfachen Tauschring nach dem LETS-Modell von Michael Linton Null. In diesem Fall ist die Summe aller Schulden genauso so hoch wie die Summer aller Guthaben.

In der Praxis dürfte die Summe aller Mitgliederkonten von Null abweichen, etwa weil die Buchführung fehlerhaft ist oder weil es Gemeinschaftskonten gibt. Berechnet man dann den Durchschnitt aller Mitgliederkonten erhält man die Pro-Kopf-Verschuldung (seltener das Pro-Kopf-Guthaben).

Wie eine eventuell vorhandene Pro-Kopf-Verschuldung zu bewerten ist, wird unter dem Schlagwort "Überschuldung der Gemeinschaftskonten" sehr kontrovers diskutiert. Bei der Berechnung und Bewertung sind dabei noch Startguthaben, Bürgergeld und anderer Formen gewünschter ungedeckter Geldschöpfung zu berücksichtigen.

Einahmen und Ausgaben

Manche Tauschringe erstellen am Jahresende eine Art Gewinn- und Verlustrechnung[4] für den gesamten Tauschring. Sie dokumentiert die Ein- und Ausgaben auf den Gemeinschaftskonten.

Einnahmen Ausgaben
  • Entlohnung des Organisationsteams für den alltäglichen Betrieb des Tauschrings.
  • Aufwendungen für einzelne größere Ereignisse wie Feste.
  • Ausgleich von Schulden, die Schmarotzer beim Austritt hinterlassen.

Mit dieser Einnahmen-/Ausgabenrechnung kann die Orga gegenüber den Mitglieder einfach Rechenschaft über die Verwendung der gemeinschaftlichen Mittel ablegen.

Bilanz

Eine jährliche Bilanz[5] dürfte wohl kaum ein Tauschring erstellen. Es ist noch zu klären, inwiefern in Tauschwährung vorliegende Werte in einer solchen Bilanz zu berücksichtigen wären.

Gemeinschaftskonten

Der Stand der Gemeinschaftskonten, soweit sie in Tauschwährung geführt werden, ist als Kennzahl umstritten. Manche Tauschringe finden ihn unerheblich. Andere betrachten sie als wesentliche Kennzahl, um eine Überschuldung der Gemeinschaftskonten zu erkennen und zu vermeiden. Wer Schulden auf Gemeinschaftskonten kritisch sieht, könnte sich nach ähnlichen Kriterien analysieren wie die Staatsverschuldung.[6]

Wie bei den Mitgliederkonten können auch hier individuelle Kontostände und Summen unterschieden werden. Manche Tauschringe haben nur ein einziges Verwaltungs- oder Systemkonto. Andere haben einen fein aufgeschlüsselten Kontenplan.

Die wichtigste Kennzahl dürfte dabei die Summe aller Gemeinschaftsguthaben bzw. die Summe aller Gemeinschaftsschulden im Vergleich zu der Summe aller Mitgliederguthaben bzw. der Summe aller Mitgliederschulden sein. In der Regel müssten sich diese vier Zahlen zu Null addieren.

Bei einem überschuldeten Tauschring (bzw. einem Tauschsystem mit gewollter ungedeckter Geldschöpfung) sind Mitgliederguthaben und Gemeinschaftsschulden groß im Verhältnis zu Gemeinschaftsguthaben und Mitgliederschulden.

Bei einem einfachen Tauschring gibt es keine oder im Verhältnis zu den Gemeinschaftsguthaben nur vernachlässigbar kleine Gemeinschaftsschulden. Ebenso sind die Mitgliederguthaben kleiner als die Mitgliederschulden. Hier steht konkrete Personen in der Pflicht, offene Leistungsansprüche (Guthaben) zu bedienen.

Geldtheoretische Kennzahlen

Manche Tauschringe orientieren sich eher an geldtheoretischen Kennzahlen wie Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit. Hier gibt es verschiedene individuelle Herangehensweisen, aber (noch) keine weiter verbreiteten Standards.

Siehe auch: Tauschmittel, Umlaufsicherung, Benutzer:Jaitner/Tauschmittelmengensteuerung

Engagement ohne Verbuchung

Mitglieder die sich aus anderen Gründen für die Existenz des Tauschrings engagieren, können solche Kennzahlen dagegen nicht erfassen. Dazu gehören alle Mitglieder, die gerne an Tauschringveranstaltungen teilnehmen, sich mit Sachspenden und unentgeltlicher Arbeitszeit einbringen, aber vielleicht nur wenig tauschen.

Mögliche Kennzahlen:

  • Anzahl der Mitglieder, die an der Mitglieder(voll)versamlung teilnehmen, die sich in der Orga einbringen, die sich aktiv bei Veranstaltungen einbringen.
  • Anzahl und Häufigkeit von Veranstaltungen, die der Tauschring durchführt.

Einzelbelege

  1. "The ability to know the balance and total trading of another account is both necessary and sufficient for users to regulate the system collectively. The balance shows the commitment of an account holder and the total trading volume demonstrates the degree of participation." Quelle: Michael Linton, Angus Soutar: The LETSystem Design Manual. 1994 (online, englisch)
  2. http://de.wikipedia.org/wiki/Verteilung
  3. http://de.wikipedia.org/wiki/Median
  4. Wikipedia Artikel "Gewinn- und Verlustrechnung"
  5. Wikipedia Artikel "Bilanz"
  6. http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsverschuldung

Literatur

Weblinks