Geldschöpfung

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Geldschöpfung bezeichnet den Vorgang, mit dem Geld erzeugt wird. Bei Tauschringen, die ihre Tauschwährung als Zahlungsmittel verstehen, beschreibt Geldschöpfung den Vorgang, mit dem dieses Zahlungsmittel erzeugt wird. Geldvernichtung beschreibt den umgekehrten Vorgang, mit dem dieses Zahlungsmittel wieder verschwindet.

Tauschring

Üblicherweise existieren die Verrechnungseinheiten (das "Geld") in einem Tauschring nicht als Bargeld, sondern nur als Buchgeld auf den einzelnen Mitgliederkonten und den gemeinschaftlichen System- und Verwaltungskonten. Auch Tauschhefte und Tauschbelege sind nur Hilfsmittel für die Buchführung.

Die einfachste Form der Geldschöpfung ist ein Tauschgeschäft zwischen zwei Mitgliedern eines Tauschrings. Beispiel: In einem frisch gegründeten Tauschring sind noch alle Konten ausgeglichen, alle Konten haben den Kontostand Null. Mitglied A erbringt jetzt für das Mitglied B eine Leistung. Beide haben sich geeinigt, dass diese Leistung 20 Verrechnungseinheiten wert ist. Sobald der Tausch verrechnet wird, hat Mitglied A einen Kontostand von +20 VE und Mitglied B einen Kontostand von -20 VE. Durch die Verrechnung wurde Geld geschöpft. Wenn etwas später Mitglied B für Mitglied A eine gleichwertige Leistung erbringt, haben nach der Verrechnung beide Konten wieder den Kontostand Null. Durch diese Verrechnung wurde Geld vernichtet.

Ebenso wird Geld durch die Verrechnung mit Gemeinschaftskonten geschöpft. Beispiel: In einem frisch gegründeten Tauschring haben noch alle Konten den Kontostand Null. Alle 17 Mitglieder überweisen einen Mitgliedsbeitrag von je 2 Verrechnungseinheiten an das Systemkonto. Die Mitgliederkonten haben danach den Kontostand von je -2 VE, das Systemkonto den Kontostand +34 VE. Es wurde Geld geschöpft. Das Gemeinschaftskonto hat ein Guthaben, die Mitglieder sind gegenüber der Gemeinschaft eine Bringschuld eingegangen.

Kreditgeld

Das Geld in einem Tauschring wird also als reines Kredit- oder Schuldgeld geschöpft:

Kreditgeld ist eine Forderung gegenüber einer natürlichen oder juristischen Person, die dazu verwendet werden kann, Waren und Dienstleistungen zu erwerben.[1]

Hinter jeder geschöpften Verrechnungseinheit steht ein offenes Kreditverhältnis zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner. Sobald Schulden beglichen werden, verschwindet das Geld wieder. Wenn alle Verbindlichkeiten ausgeglichen sind, sind alle Konten wieder Null.

Die Besonderheit von Tauschringen ergibt sich aus dem Tauschprinzip, so wie es in vielen Tauschregeln beschrieben wird. Das Kreditverhältnis besteht zwischen dem jeweiligen Kontoinhaber und allen Mitgliedern des Tauschrings. Der Kontostand beschreibt die Leistungsbilanz des Kontoinhabers gegenüber den anderen Mitgliedern. Ist das Konto im Minus, besteht für den Kontoinhaber die moralische Pflicht Gegenleistungen zu erbringen. Ist auf dem Konto ein Guthaben, hat der Kontoinhaber das moralische Anrecht auf Gegenleistungen. Wer genau die Gegenleistung eines Tages erhalten oder erbringen soll, ist offen.

Gleiches gilt für Gemeinschaftskonten. Wenn ein Tauschring Geld zu Lasten des Systemkontos schöpft, geht die Gemeinschaft als Kontoinhaberin gegenüber ihren Mitgliedern eine moralische Verbindlichkeit ein. Die Gemeinschaft steht in der moralischen Pflicht, ihren Mitgliedern entsprechende Gegenleistungen zu erbringen. Aus dieser Pflicht können sie nur die Mitglieder entlassen. Entweder, indem sie im Namen der Gemeinschaft arbeiten und das verdiente Geld nicht ihrem eigenen Konto gutschreiben, sondern dem Gemeinschaftskonto. Oder indem sie Geld von ihren persönlichen Konten an Gemeinschaftskonten überweisen, beispielsweise durch Mitgliedsbeiträge.

Ungedeckte Geldschöpfung

Manche Tauschringe und viele Geldexperimente lassen auch eine ungedeckte Geldschöpfung zu. Das Geld ist nicht mehr durch Leistungsversprechen der Mitglieder gedeckt, sondern es wird einfach so "aus dem Nichts" geschöpft.

Startguthaben

So gibt es Tauschringe, die neue Mitgliederkonten nicht mit dem Kontostand Null, sondern mit einem gewissen "Startguthaben" eröffnen. Auf diese Weise geschaffenes Startguthaben ist nicht gedeckt, da die VE einfach so auf dem Konto erscheinen. Dieses Startguthaben kann deswegen auch nicht durch Ausgleichsbuchungen vernichtet werden!

Wenn dagegen das neue Konto mit Kontostand Null eröffnet wird, und das Startguthaben dann vom Systemkonto auf das Mitgliederkonto überwiesen wird, kann es sich um gedecktes Kreditgeld handeln. Die Gemeinschaft geht gegenüber dem neuen Mitglied eine Verbindlichkeit ein. Wenn der Tauschring das Startguthaben als Geschenk versteht, müssen die anderen Mitglieder dieses Geschenk erarbeiten, damit das Geld wieder vernichtet werden kann. Wenn der Tauschring das Startguthaben als Kreditrahmen für das neue Mitglied versteht, muss das neue Mitglied (und die Gemeinschaft) darauf achten, beim Austritt wieder diesen Betrag auf dem Konto zu haben, damit er dann wieder auf das Systemkonto zurücküberwiesen und damit vernichtet werden kann.

Gemeinschaftskonten

Eine andere Form der ungedeckten Geldschöpfung sind Gemeinschaftskonten, die unbegrenzt in Minus gehen dürfen. Jeder weitere Schritt ins Minus bedeutet eine Geldschöpfung. Sie sind eine unerschöpfliche Geldquelle.

Inwiefern die Geldschöpfung auf den Gemeinschaftskonten gedeckt ist oder gedeckt sein soll, ist Verhandlungssache zwischen den Mitgliedern. Auf der einen Seite gibt es Geldexperimente, die sich über eine Deckung keine Gedanken machen. Sie nutzen die unerschöpfliche Geldquelle, um ihren Mitgliedern Startguthaben oder Bürgergeld auszuzahlen. Auf der anderen Seite sind gibt es Tauschringe, die ihre Gemeinschaftsschulden regelmäßig auf ihre Mitglieder aufteilen. Ihre Geldschöpfung ist durch die moralische Verpflichtung der Mitglieder gedeckt.

Dazwischen gibt es Tauschringe, deren Geldmenge sich so sehr aufgebläht hat, dass sich die Schulden fast ausschließlich auf den Gemeinschaftskonten und die Guthaben fast ausschließlich auf den Mitgliederkonten gesammelt haben. Auch hier ist es Verhandlungssache der Mitglieder, welcher Teil der Geldmenge durch persönliche Leistungsversrprechen gedeckt ist. Es ist genau der Betrag, den die einzelnen Mitglieder freiwillig bereit sind, von ihren persönlichen Konten an die Gemeinschaft abzugeben. Dieser Betrag lässt sich nicht theoretisch besrechnen, weil er von persönlichen Abwägungen der einzelnen Mitglieder abhängt.

Beispiele

Der Tauschring Westerwald zahlt seinen Mitgliedern ungedecktes Bürgergeld aus: "Jedem Mitglied wird jeden Monat das Bürgergeld (BG) gutgeschrieben. Das BG ermöglicht den Tauschringmitgliedern die keine Leistung erbringen (können) - zwar in geringerem Maß als Leistende - ebenfalls Leistungen von anderen Mititgliedern in Anspruch zu nehmen."[2] "Die Talente im TRW sind echtes Freigeld, da es mit keinem Kredit in die Welt gesetzt wird. Eine Deckung erfolgt erst im Austauschfall, dann steht eine Leistung dahinter."[3]

Das Regiotauschnetz e.V. schöpft ebenfalls ungedecktes Geld, aber es begrenzt und steuert die geschöpfte Geldmenge. So "erhält das Systemkonto … einen Überziehungsrahmen bzw. so genannte „Schöpfungsrechte“. Über die Höhe der Schöpfungsrechte entscheidet die Regionalversammlung. Zurzeit darf das Systemkonto je eingerichtetes Mitglieds-Konto bis zu 100,– Verrechnungseinheiten ins Minus gehen."[4]

(bitte weitere Beispiele ergänzen)

Diskussion

Bei der Diskussion um Geldschöpfung in einem Tauschring sollten die grundsätzlichen Unterschiede zwischen einer Verrechnungseinheit, auf die sich ein kleiner freiwilliger Zusammenschluss von Tauschwilligen als Wertmaßstab geeinigt haben, und Notenbankgeld, das für ganze Staaten oder Staatengemeinschaften als gesetzliches Zahlungsmittel dient, berücksichtigt werden. Die Zusammenhänge beim Notenbankgeld sind sehr viel komplexer, weil das Geld die Grundlage für ganze Volkswirtschaften bildet, weil das Geld ganz andere Geldfunktionen erfüllen muss, weil öffentliche und private Banken beteiligt sind, weil es gesetzliche Rahmenbedingungen und internationale Abhängigkeiten gibt, weil Bargeld ausgegeben wird, usw. usf.

Einzelbelege

  1. Ludwig von Mises, The Theory of Money and Credit, Indianapolis, Liberty Fund, trans. H. E. Batson, 1981, Kapitel 1, 3.25.
  2. http://www.tauschring-ww.de/neue.htm
  3. http://www.tauschring-ww.de/FAQs%20/home.html
  4. Tauschregeln im Regiotauschnetz e.V.

Siehe auch

Weblinks