Tauschversprechen

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Das Tauschversprechen oder Leistungsversprechen ist die moralische Verpflichtung, erhaltene Leistungen durch gleichwertige Gegenleistungen auszugleichen. Beim Naturaltausch wird es dem Tauschpartner gegeben, beim Tausch im Tauschring der Gemeinschaft.

Naturaltausch

Beim Naturaltausch tauschen zwei Tauschpartner zeitnah zwei gleichwertige Tauschgegenstände. Zum Beispiel eine Kiste Äpfel gegen eine Stunde Putzhilfe.

       --- Leistung -->
   A                      B
       <-- Leistung ---    

Oder Tauschpartner A akzeptiert von B einen Gutschein als persönliches Leistungsversprechen für einen konkreten Tauschvorgang.

       --- Leistung -->
   A                      B
       <-- Gutschein --    

Falls A den Gutschein einlösen möchte, ist B durch das Versprechen moralisch verpflichtet, die versprochene Leistung auch zu erbringen.

       -- Gutschein -->
   A                      B
       <-- Leistung ---

Es bleibt A überlassen, ob er den Gutschein verfallen lassen möchte oder die Leistung einfordert. Die beiden Tauschpartner können auch ein Verfallsdatum vereinbaren, um die Gültigkeitsdauer des Leistungsversprechens zu begrenzen.

Ringtausch

Beim Ringtausch vereinbaren 3 oder mehr Tauschpartner ein Tauschgeschäft. Es ist abgeschlossen, wenn alle Beteiligten die versprochenen Leistungen erbracht bzw. erhalten haben.

       --- Leistung --> B --- Leistung -->
   A                                       C
       <-- Leistung ----------------------

Tauschring

Beim Tausch im Tauschring findet kein direkter Ausgleich statt. Das ist Sinn und Zweck eines Tauschrings! Im Gegensatz zum Natural- oder Ringtausch ist nicht vorhersagbar wer die konkrete Gegenleistung wann erbringen wird.

       --- Leistung --> B --- Leistung -->
   A                                       Die anderen Mitglieder
       <-- Leistung --- D <-- Leistung ---

Mitglied A wird also Mitglied B nur Leistungen geben, solange es darauf vertrauen kann, von der Gemeinschaft in einem gewissen Zeitraum entsprechende Gegenleistungen zu erhalten. Damit betrifft jedes Tauschgeschäft im Tauschring immer alle Mitglieder des Tauschrings. Mitglied A gibt eine Leistung, Mitglied B nimmt die Leistung und die anderen Tauschringmitglieder müssen den Ausgleich schaffen, um den Tauschkreis zu schließen:

             A   --- Leistung -->   B
             ^                      |
   Leistung  |                      |  Leistung
             |                      v
              Die anderen Mitglieder

Grundlage des Vertrauens ist die Mitgliedschaft im Tauschring. Mit dem Eintritt in den Tauschring verspricht jedes Mitglied, erhaltene Leistungen durch Gegenleistungen auszugleichen, so wie es in den Tauschregeln festgelegt ist. Obwohl ein Mitglied dieses Leistungsversprechen gegenüber der Gemeinschaft nur einmal beim Eintritt gibt, ist es bis zum Austritt oder bis zur Auflösung des Tauschrings daran gebunden.

Moralische Verpflichtung

Der Wert der Leistung wird in Verrechnungseinheiten (VE) gemessen. Zur Verrechnung des Tauschgeschäfts werden dem Konto des Leistungsgeber die vereinbarten VE gutgeschrieben, dem Konto des Leistungsnehmers der entsprechende Betrag abgezogen.

Wenn man die Werte alle Tauschgeschäfte eines Mitglieds zusammen zählt, erhält man den Kontostand. Am Kontostand kann man sofort erkennen, ob ein Mitglied mehr Leistungen gegeben oder genommen hat. Ein positiver Kontostand bedeutet üblicherweise, dass ein Mitglied mehr Leistungen gegeben hat. Ein negativer Kontostand bedeutet üblicherweise, dass ein Mitglied mehr Leistungen genommen hat und die Differenz wegen des beim Eintritt gegebenen Leistungsversprechens vor dem Austritt wieder ausgleichen muss. Er zeigt die Höhe der "moralischen Verpflichtung" an, die das Tauschringmitglied gegenüber der Gemeinschaft eingegangen ist:

  • Kreuzberger Tauschring: "Die auf den Konten verbuchten Werte stellen moralische Guthaben und Verpflichtungen dar. Sie sind ein Versprechen auf eine Gegenleistung …" [1]
  • Tauschring-Initiative-Sinngrund: "Die auf den Konten verbuchten Werte … sind … eine moralische Verpflichtung zur Einhaltung eines gegebenen Versprechens."[2]
  • Tauschring Barmstedt: "Die Werte auf den Konten stellen moralische Guthaben und Verpflichtungen dar. Sie sind ein Versprechen auf eine Gegenleistung." [3]
  • Tauschring Singen: "Die auf den Konten gebuchten Werte stellen moralische Guthaben und Verpflichtungen zwischen den Teilnehmern dar. Sie sind ein Versprechen auf eine Gegenleistung …"[4]
  • Tauschring Emsdetten: "Die auf den Konten verbuchten Werte stellen Guthaben und Verpflichtungen ausschließlich der Teilnehmer/-innen untereinander dar. Sie sind ein Versprechen auf eine Gegenleistung …" [5]
  • Tauschring Knöpfe statt Knete: "Die auf den Konten verbuchten Werte stellen moralische Guthaben und Verpflichtungen dar. Sie sind ein Versprechen auf Gegenleistung …" [6]

Diskussion

Verbindlichkeit der moralischen Verpflichtung

Es gibt unterschiedliche Ansichten zur Verbindlichkeit der moralischen Verpflichtung.

Manche Tauschringmitglieder nehmen das Leistungsversprechen auf die leichte Schulter. Es sei "nur" eine moralische Verpflichtung. Diese Haltung impliziert, dass das Leistungsversprechen weniger wert sei als Geld und dass man es guten Gewissens brechen könne.

Andere Tauschringmitglieder nehmen die moralische Verpflichtung ernst. Für sie ist es eine Frage der persönlichen Moral, Ethik und Ehre, nur solche Verpflichtungen einzugehen, die sie auch einhalten werden. Für sie ist ein persönliches Versprechen mehr wert als Geld, weil sie mit ihrer Person für ihr Versprechen einstehen.

Verrechnungseinheiten als Zahlungsmittel

Auch wenn das Leistungsversprechen per Definition das Grundprinzip eines Tauschrings sind, betrachten viele Tauschringmitglieder Verrechnungseinheiten als ein Zahlungsmittel.

       --- Leistung -->
   A                      B
       <----- VE ------

Ihrer Meinung nach tauschen sie Leistung gegen Verrechnungseinheiten. Sie kaufen und verkaufen Leistungen gegen selbstgemachtes Geld. Der Leistungsnehmer unterschreibt keinen Tauschbeleg, sondern einen Buchungsauftrag/Scheck. Die Zahlen sind identisch, egal ob man VE als Verrechnung von Leistungen oder als Zahlungsmittel interpretiert.

Die Frage ist aber, wie sich diese Sichtweise auf das Verhältnis des einzelnen Mitglieds zu den anderen Mitgliedern des Tauschrings auswirkt.

Bei der Interpretation als Zahlungsmittel hat man das Leistungsversprechen gegenüber dem einen Tauschpartner mit der "Zahlung" erfüllt. Man sei mit der Verrechnung dem Tauschpartner gegenüber quitt, egal wie der eigenen Kontostand aussieht.

Bei der anderen Interpretation wird deutlicher, dass jeder Tausch alle Mitglieder des Tauschrings betrifft. Man ist allen Mitgliedern des Tauschrings (einschließlich des Tauschpartners!) gegenüber erst quitt, wenn der eigene Kontostand Null ist.

Tauschring oder Geldexperiment

Es gibt auch einige selbstbezeichnete Tauschringe, die ihre Verrechnungseinheit ausdrücklich als Tausch- und Zahlungsmittel verstehen. Zum Beispiel:

  • Regiotauschnetz e.V.: "Die Verrechnungseinheiten stellen ein Tauschmittel dar, das von der Tauschgemeinschaft dem Einzelnen … zum Zwecke des Eintauschens einer Gegenleistung überlassen wird."[7]

Es ist fraglich, ob diese Wirtschaftsgemeinschaften als Tauschringe im oben beschriebenen Sinne oder nicht viel mehr als "Geldexperimente" zu verstehen sind. Bei diesen Modellen stehen die Schöpfung und Umverteilung von Geld im Vordergrund. Bei Tauschringen "ohne Geld" sind die Verrechnungseinheiten dagegen nur ein Hilfsmittel, um den Umfang der eingegangen und erfüllten persönlichen Leistungsversprechen zu ermitteln.

Anspruch auf Gegenleistung

Wie sind positive Kontostände zu bewerten? Stellen sie einen Anspruch auf Gegenleistung dar? Wenn ja, gegenüber wem besteht dieser Anspruch? Wenn nein, was bedeuten sie dann? Eine Vorleistung des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft? Reichtum? Ein Geschenk des Einzelnen an die Gemeinschaft?

Pieper 2002 analysiert ausführlich die rechtlichen Auswirkungen, die das unterschiedliche Verständnis von Guthaben als "Vermögenswert" oder "Gegenleistungsrecht" nach sich zieht. Als Zwischenergebnis formuliert der Autor:

"Auch wenn das Gegenleistungsrecht nicht als Anspruch zu qualifizieren ist, erscheint es möglich, Barter-Ciubs und LET-Systeme als System aufgrund von Verträgen sui generis mit tauschrechtlichem Erscheinungsbild zu gestalten. Der Teilnehmer, der einem anderen Teil­nehmer eine Realleistung erbringt, erhält hierfür ein Gegenleistungsrecht, das ein abstraktes, subjektives Vermögensrecht ist. Es ist auf die Möglichkeit gerichtet, eine Gegenleistung von einem anderen Teilnehmer zu beziehen. Derjenige, der Realleistungen ohne ein solches Recht beansprucht, verpflichtet sich gegenüber allen anderen Mitgliedern, die ein Guthaben aufweisen, ihnen eine Realleistung zu erbringen."[8]

Während manche Tauschringe eine Symmetrie von Geben und Nehmen betonen, interpretieren andere das Guthaben nicht als erworbenes Recht, sondern nur als Dokumentation eines Geschenks:

  • BarterWorks, Ontario: "… a negative balance represents a commitment to give something back to the community and a credit represents acknowledgement for a gift or service given to the community."[9] (Übersetzung: "Ein negativer Kontostand steht für eine Verpflichtung, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben, und ein Guthaben steht für die Anerkennung eines Geschenks oder eines Diensts, das der Gemeinschaft gegeben wurde.")

Eines ist allen Sichtweisen gemeinsam. Das Tauschversprechen ist eine Verpflichtung, die zu erfüllen ist!

Einzelnachweise