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Jürr/Überschuldung

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Diskussionspapier, verfasst von Jürgen Winkler, Tauschring Aalen, Okt. 2012

„Überschuldung“ von Tauschringen – woran ist erkennbar, ob die Grenze erreicht ist?

Diese Frage[1] ist tatsächlich von fundamentaler Bedeutung, weil die Antwort nicht so ausfallen wird: Eine Maßzahl hat den Wert XYZ erreicht, und nun ist die Kacke am dampfen. Nein, so einfach ist es leider nicht. Ich bin vielmehr auf einen viel umfassenderen Zusammenhang gestoßen, den ich hier zur Diskussion stelle, und der zum Einen ungeahnte Spielräume zulässt, und zum Anderen die menschliche Psychologie als wesentlichen Faktor mit einbezieht.

Schritte

Also: Hier ist der Versuch, „harte“ Zahlen mit dem „unberechenbaren“ Tun des Menschen zusammen zu betrachten. Mal sehen!

Buchführung aktualisieren

Der erste Schritt ist die Aktualisierung der Buchführung. Es gibt leider keine anderen eindeutigen Kriterien als die Zahlen aus der Buchhaltung, wir werden uns also mit Zahlen beschäftigen müssen, auch wenn nicht die Zahl als solches den Sinn und Zweck des Tauschrings darstellt.

Wenn man die Frage nach der Überschuldung stellt, muß zunächst die Buchführung stimmen: alles muss offen liegen und gebucht sein, keine „versteckten“ Konten oder, was auch mal ganz gerne gemacht wird, nicht mehr aktive Konten (Mitglieder, Sonderkonten für Aktionen... ) werden im Verborgenen weitergeführt, anstatt sie endlich aufzulösen.

Ziel ist: Die Gegenüberstellung der Konten der Mitglieder auf der einen Seite und die Summe der Verwaltungskonten (im Weiteren kurz als VK bezeichnet) auf der anderen Seite. Ein Außenkonto ist wie ein Mitgliederkonto zu betrachten. Die Summe aller Konten muss Null ergeben.

Pro-Kopf-Verschuldung ermitteln

Dann erfolgt der nächste Schritt, das bedeutet etwas Rechnen. Das VK wird einen negativen Betrag ausweisen, das ist die „Verschuldung“. Sollte das VK einen positiven Wert ausweisen, dann ist „noch Luft“, die dazu genutzt werden sollte, hier und da etwas anzustoßen, das die Tauschaktivität anregt. Das wird hier aber nicht weiter betrachtet, und ich habe es auch noch nicht erlebt, dass ein VK beständig im Plus ist.

Wir nehmen also den Betrag des VK und teilen diesen durch die Anzahl der Mitglieder, das ergibt eine Pro-Kopf-Verschuldung (im Weiteren kurz PKV). Die PKV gibt an, wie viel jeder Einzelne beitragen müsste, um das Gleichgewicht herzustellen. Das Gleichgewicht der Zahlen repräsentiert nämlich das Gleichgewicht von Angeboten und Nachfragen. Weist das VK einen hohen negativen Wert aus, so bedeutet dies, dass bei den Mitgliederkonten die Plus-Stände dominieren - und das bedeutet ganz einfach, das Angebote fehlen bzw. Nachfrage nicht befriedigt werden kann.

Mitglieder fragen

Ist die PKV ermittelt, geht es einen Schritt weiter und wir schauen uns unsere Mitglieder an, und zwar jeden Einzelnen für sich. Würde das betreffende Mitglied sich freiwillig einverstanden erklären, die PKV aus seiner „Portokasse“ zu begleichen, und zwar ohne jede Gegenleistung begleichen?

Das ist eine entscheidende Frage, und diese muss auch noch weiter verschärft werden: Manche Mitglieder können das gar nicht leisten ohne Limitüberschreitung, d.h. für diese Mitglieder müssen die anderen ihre Bereitschaft noch mal aufstocken. Beispielsweise von 5 Stunden PKV auf 5,5 Stunden PKV. Am Ende wird man vielleicht zu dem Schluss kommen, dass nur die Plus-Konten zum Ausgleich herangezogen werden können, weil sie es am ehesten verkraften (wer im Minus ist, hat in der Regel eh schon Vermarktungsprobleme), sodass aus dem Beispiel mit 5 Std. auch schnell das Doppelte, nämlich 10 Std., werden kann.

Also man geht im Geiste alle betreffenden Mitglieder durch und schätzt deren Bereitschaft ab. „Einer trage des Anderen Last“, das wird hier ganz konkret... Wird die „Last“ von allen- oder wenigstens von der Mehrheit – getragen, dann ist die Verschuldungsgrenze noch nicht erreicht. Spricht sich die Mehrheit dagegen aus, dann wird es aber höchste Zeit, ernsthaft Maßnahmen ins Auge zu nehmen.

Damit das kein endloses Stochern im Nebel wird: Ich persönlich kann mir für mich vorstellen, dass ich einen halben Jahresumsatz erübrigen würde. Mehr würde mir schwer fallen, da wäre für mich der Sinn des Tausch-Rings in Frage gestellt, denn bewusst bin ich nicht in einem Schenk-Ring.

Ob das die anderen Mitglieder in meinem Tauschring auch so sehen oder ob sie das ganz anders sehen, ließe sich testweise ja schnell stichprobenartig ermitteln. Bei vielen brauche ich gar nicht ermitteln: Die „geheiligten Tauschpunkte“ werden unter Geschimpfe über die anderen „Versager“ nicht herausgerückt, das ist schon bekannt. Aber: Bitte auch hier Sorgfalt üben! Es geht demokratisch zu - ein paar lautstarke Personen sind nicht unbedingt repräsentativ, aber ein paar lautstarke Personen können sehr wohl ein Stimmungsbild geben. Und es ist wirklich die Stimmung, die noch entscheidend mitwirkt!

Kontostand als Maß des Vertrauens

Betrachten wir die Stimmung in unserem Tauschring! Haben die Mitglieder Vertrauen in ihren Tauschring?

Verteilung der Kontostände

Verteilung von Mitgliederkontoständen

Fühlen sie sich wohl mit ihrem Kontostand? Bist Du selbst lieber im Plus oder im Minus? Oder: haben immer diejenigen das Sagen, die „dick“ im Plus sind? „Hauptsache im Plus“, so lautet die Antwort der meisten Mitglieder. Andere sagen bewusst: „Ich muss vorsorgen, wer weiß, was kommt“. So sind meine Beobachtungen.

Ein Mitglied, das Vertrauen in seinen Tauschring und seine Mechanismen und in seine Mitglieder hat, das kümmert sich nicht viel um seinen Kontostand. „Hauptsache, ich kann meine Wünsche erfüllen“ und „Hauptsache, ich kann meine Talente und Begabungen anbringen“, das sind die vorrangigen Sorgen – der Kontostand, der ist irgendwo, irgendwo im zulässigen Bereich.

Wer wenig Vertrauen in den Tauschring hat, der wird „Extremist“. Entweder im Plus: „Oh, was wird, wenn..., aber ich, ich habe ja vorgesorgt“. Oder im Minus: „Mir egal, ich verstehe das Ganze sowieso nicht“ oder „Mich will ja keiner“.

Dieser Extremismus lässt sich an der Verteilung der Kontostände ablesen und daran, ob in dieser Verteilung Bewegung ist. Am besten hilft die Betrachtung, wenn die Kontostände nicht als Zahlen, sondern graphisch als Kurve erscheinen. Auch hier gilt: Die Mitte ist wichtig!

Zahlen, Kurven als Maß für die Zufriedenheit und für Vertrauen und Zuversicht? Ich glaube ja, mir erscheint das sehr schlüssig.

Zuversicht im Tauschring

Wie würde sich großes Vertrauen und Zuversicht im Tauschring auswirken? Würde sich das Tauschverhalten anhand der nackten Zahlen zu erkennen geben? Ich würde erwarten, dass die „Extremisten“ abnehmen. Die Kontostände würden mehr gegen Null tendieren. Hier, im Bereich um Null herum, lustig rauf und runter gehen.

Die Tauschgeschäfte würden mit größerer Leichtigkeit vonstatten gehen, Austretende könnten leichter ihr Konto ausgleichen, Neulinge leichter einsteigen. Und ich würde eine viel höhere Bereitschaft für Belange für die Allgemeinheit erwarten. Damit meine ich natürlich im Speziellen, die Bereitschaft, etwaige Kollektivschulden mit zu übernehmen. Und es ist vor allem die Bereitschaft wichtig. Ob die Schulden dann auch tatsächlich übernommen werden oder doch nicht, das ist noch was Anderes. Es kommt sehr auf die Bereitschaft an, weil: Das ist ja das Vertrauen, das macht die Stimmung aus!

In einer solchen Stimmung greift die Verschuldungssituation nicht so scharf. Bei identischen Zahlen, aber vorzüglicher Stimmung und viel Vertrauen, kommen die Auswirkungen der Verschuldung nicht voll zum tragen. Es ist schlichtweg wenig davon zu spüren, weil alles läuft so wie es sein soll: es wird getauscht, emsig, so wie immer.

Bei identischen Zahlen, nur durch gute Stimmung bedingt: Keine Krise. Das heißt dann aber auch: Es gibt weiter Spielraum, die Verschuldung ist zwar da, und erscheint als Zahl, muss aber nicht ernst genommen werden (muss aber schon im Blick behalten werden!).

Tauschring ohne Vertrauen

Und umgekehrt: Ein Tauschring, mit identischen Zahlen, ist schon tot, wenn kein Vertrauen herrscht. Ein geringer Anlass, ein klein wenig zu weit überzogen, schon gibt es Streit, Misstrauen - und es geht nichts mehr. Damit komme ich zum Schluss.

Fazit

Das eine Fazit heißt: Sorgt für gute Stimmung! Zeigt, dass man sich auf den Tauschring verlassen kann! Dass die Tauschring-Idee richtig ist und dass die Realisierung derselben immer besser wird!

Das Andere heißt: Immer schön die Zahlen beobachten – hinter ihnen werden die Menschen und ihre Stimmungen sichtbar!

Und weiter: Die schon an anderer Stelle angesprochenen Aktionen, bei denen z.B. ungenutzte €-Guthaben investiert werden, um besondere Tauschangebote zu schaffen (Theaterbesuche, Ausflüge, Grillfeste...) wirken gleich doppelt, weil sie zum Tauschen anregen und für Stimmung, Kommunikation und Vertrauen sorgen. Und noch mal viel besser, wenn es dabei überregional und kooperativ mit anderen Tauschringen zugeht!

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Hierbei werden nur die Tauschringe betrachtet, die nach dem Kreislaufprinzip arbeiten und verwaltet werden, also nach den Maßregeln der „ordentlichen“ Buchführung.